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A VIII. 8 Abschrift
Lima-Peru, 18.V.1950 Lima, Casilla 1816 C/o Lockett
<span style="color:Red">Vertraulich</span>
Sehr verehrter Baron Twickel!
Am 15.5. bin ich aus Brasilien abgereist und beeile mich Ihnen über das dortige Ergebnis zu berichten. Was die Flüchtlings-Einwanderungs- und Ansiedlungsfragen anbelangt, habe ich bei allen Brasilianern, ob Behörden oder Privaten das grösste Entgegenkommen gefunden , ganz im Gegenteil zu dem, was mir vielfach prophezeit wurde. Die einzigen Widerstände habe ich bei alteingesessenen und auch erst bei später zugewanderten Deutschen gefunden. Es gibt unter diesen heute noch fanatische Nazi und eine ganze Reihe von völlig verbohrten und unbelehrbaren Menschen. An sich können sie einem ja nicht viel behindern; aber sie können der ganzen Frage durch ihre Dummheit und Taktlosigkeit doch sehr schaden. Nun muss aber damit gerechnet werden, dass, sobald wieder deutsche Konsulate entstehen, diese Leute sich darauf stürzen werden und ehe der neue Konsul, der Land und Leute vielleicht noch nicht kennt, es sich versieht, haben diese Elemente das Konsulat sozusagen für sich erobert und gepachtet! Was dann zu erwarten ist brauche ich nicht zu schildern! Wenn die ersten Siedlungsversuche schief gehen, dann ist die ganze Sache verlohren, wenn dagegen die ersten gelungen sind, dann ist der Beweis, dass es geht, erbracht und die Sache wird weitergehen, selbst wenn einmal Fehlschläge eintreten sollten.- Daher halte ich es für wesentlich vorteilhafter, wenn die Durchführung der ersten Versuche anstatt von amtlichen deutschen Stellen vom Malteserorden übernommen werden. - Das ist auch den Brasilianern, wie sie mir ganz offen gesagt haben, viel lieber; denn obwohl sie alle Achtung vor Deutschland und seiner Arbeit etc. haben, so haben sie noch nicht ganz vergessen, was alles vorgefallen ist, was die verschiedenen deutschen Auslandsorganisationen getrieben haben, etc. und ein deutsches Konsulat ist ihnen vorläufig noch nicht so recht geheuer.
Es ist mir ausserdem eine ganz besondere Freude Ihnen mitteilen zu können, dass der Malteserorden jetzt diese Durchführung auch übernehemn kann, weil endlich die Voraussetzungen dafür geschaffen sind!
Dazu muss ich folgendes berichten: Zuerst war ich in den Staaten Rio Grande do Sul und in Santa Catharina. Dort ist das verfügbare Land für hiesige Begriffe so ziemlich besetzt und ausserdem ist die Bevölkerung fast rein deutsch. Daher empfiehlt es sich nicht mit der Einwanderung gerade da anzufangen, wo es infolge der Nazihetze schon einmal zu Reibereien gekommen ist. - Dann war ich im Staat Goias. Dort sind die herrlichsten Möglichkeiten; der Gouverneur sowie seine Mitarbeiter sind wirklich begeistert dabei; nur hat dieser erst aufblühede Staat leider noch keine Mittel zur Verfügung. Dann war ich in Parana, dort sind die guten Böden meistens schon vergeben - oder besser gesagt - verschoben worden. Trotzdem ist, man muss schon sagen, das Kunststück gelungen, ich habe vom Gouverneur (Moyses Lupion) die schriftliche Zusage erhalten, dass er 10 000 Hektar für Flüchtlingssiedlung zur Verfügung stellt und die Finanzierungsmöglichkeiten mit den Vertretern der Flüchtlinge/selber besprechen wird, sobald sie kommen. Mündlich habe ich vor Zeugen mit ihm ausgemacht, dass es sich nur um guten Boden in guter klimatischer Lage handeln kann und dass Vertreter der Flüchtlinge selber herkommen werden, um den Boden auszusuchen. Das habe ich zu Fleiß zufleiss so vereinbart, damit ich einerseits nicht die Verantwortung trage eventuell falsch gewählt zu haben und andererseits weder bei den Flüchtlingen noch bei Lupion in den Verdacht kommen kann irgendwie an einem Terraingeschäft interessiert zu/sein! Und das gibt es dort kaum, dass das nicht der Fall ist; deshalb muss man
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